Historie
Ein Projekt mit Geschichte
Das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm blickt auf eine lange und bewegte Geschichte zurück. Begonnen hat alles bereits in den späten 1980er-Jahren. Mit den Ursprüngen von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm ist wohl kein Name enger verknüpft als der von Gerhard Heimerl. Der Professor am Institut für Verkehrswissenschaft der Universität Stuttgart brachte 1988 erstmals die Idee eines Durchgangsbahnhofs ins Spiel und schlug eine Trassenführung Stuttgart–Ulm parallel zur Autobahn A8 vor.
Gerhard Heimerl – Vordenker für ein Jahrhundertprojekt
Gerhard Heimerl – Vordenker für ein Jahrhundertprojekt
Zeitstrahl
1985
Der Bundesverkehrswegeplan sieht vor, das Schienennetz von Stuttgart aus Richtung Osten zu erweitern. Die damals neue Strecke Mannheim–Stuttgart soll fortgesetzt werden.
1988
Gerhard Heimerl, Professor am Institut für Verkehrswissenschaft der Universität Stuttgart, stellt die später als H-Trasse bekannte Variante vor. Heimerls Idee ist es, die Strecke anstelle eines Kopfbahnhofes mit einem Durchgangsbahnhof in Stuttgart anzubinden. Der neue Bahnhof liegt nach seinem Vorschlag quer unter dem Kopfbahnhof. Dieser soll erhalten bleiben.
1991
Die Bahn legt eine Variantenuntersuchung vor, die die Varianten für den Abschnitt Stuttgart–Ulm untersucht. Sie stellt darin die H-Trasse und die K-Trasse (so benannt nach ihrem Planer Ernst Krittian) vor. Die K-Trasse ist eine Mischlösung, die vorsieht, dass der Hauptbahnhof zu einem Durchgangsbahnhof wird. Diesen verbindet sie mit einem Tunnel bis Plochingen und schließt dort ans Bestandsnetz an.
1992
Der Stuttgarter Gemeinderat fordert einstimmig, den Hauptbahnhof an seinem Standort in der Stadtmitte zu belassen. Die Bahn soll den Fernverkehr nicht auslagern. Andere Planungen sahen vor, den Fernbahnhof etwa nach Bad Cannstatt zu verlegen.
1993
Der Neu- und Ausbau der Strecke Stuttgart–Ulm–Augsburg wird in das Bundesschienenwegeausbaugesetz aufgenommen.
1994
Die späteren Projektträger präsentieren den Medien die Ideenskizze zu Stuttgart 21. Wesentliche Merkmale der Ideenskizze sind, den Stuttgarter Flughafen anzubinden, den Hauptbahnhof am Standort zu erhalten, die nicht mehr benötigten Bahnflächen städtebaulich zu entwickeln, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke auf Basis der Heimerl-Trasse zu verwirklichen und die Gäubahn über den Flughafen zu führen.
1995
Die Machbarkeitsstudie von Stuttgart 21 wird von Bahn, Bund, Land und Stadt Stuttgart vorgestellt. Darin heißt es: „Stuttgart 21 ist technisch machbar.“ Das Projekt „bringt Vorteile für Städtebau und Verkehr“.
Die Stadt richtet eine Ideenwerkstatt zum Städtebau ein. Jeder Bürger kann Vorschläge einbringen. Das Amt für Stadtplanung prüft sie und präsentiert die Ergebnisse in einer Ausstellung.
Die Vorplanungen gehen weiter: Experten untersuchen die technischen und wirtschaftlichen Aspekte. Dazu gehört ein Programm zur geologischen und hydrologischen Erkundung. Am Ende bestätigen Fachleute, dass das Projekt wirtschaftlich ist.
Die Europäische Kommission nimmt die Magistrale Paris–Bratislava in die Planung für das Transeuropäische Netz (TEN) auf.
Am 7. November 1995 schließen die Bahn, der Bund, das Land, die Stadt Stuttgart sowie der Verband Region Stuttgart eine Rahmenvereinbarung. Sie vereinbaren darin, das Projekt weiterzuentwickeln und zu fördern.
1996
Die Deutsche Bahn AG beantragt 1996 ein Raumordnungsverfahren für Stuttgart 21. Ein Raumordnungsverfahren überprüft, ob ein Vorhaben mit den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung und der Landesplanung übereinstimmt. Dabei werden wirtschaftliche, ökologische, kulturelle und soziale Aspekte bedacht.
Erste Ideen für die städtebauliche Entwicklung entstehen. Ein wettbewerbsähnliches Verfahren mit zehn internationalen Planungsbüros kommt zum Abschluss. Eine Kommission empfiehlt, den Entwurf des Büros „Trojan, Trojan + Neu“ aus Darmstadt weiter zu bearbeiten. Er wird Basis für den städtebaulichen Rahmenplan.
1997
Eine offene Bürgerbeteiligung findet statt. Das Thema lautet: Was passiert mit den Flächen, die dank Stuttgart 21 frei werden? Über 400 Bürger erarbeiten 900 Vorschläge, wie sie sich die neuen Stadtviertel vorstellen.
Der Gemeinderat verabschiedet den städtebaulichen Rahmenplan. Eine Dreiviertelmehrheit im Gemeinderat stimmt mit Ja. Insgesamt fließen 200 der 900 Vorschläge der Bürger in den Plan ein.
Das Regierungspräsidium Stuttgart schließt das Raumordnungsverfahren ab. Die Behörde bestätigt Stuttgart 21 mit weiteren Verbesserungen.
Der Realisierungswettbewerb für den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof findet statt. Das Preisgericht, bestehend aus insgesamt 32 Juroren, wählt einstimmig den Entwurf des Büros „Ingenhoven, Overdiek und Partner“ aus Düsseldorf zum Sieger.
1998
Der Realisierungswettbewerb für den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof findet statt. Das Preisgericht, bestehend aus insgesamt 32 Juroren, wählt einstimmig den Entwurf des Büros „Ingenhoven, Overdiek und Partner“ aus Düsseldorf zum Sieger.
Die Ausstellung im Stuttgarter Bahnhofsturm öffnet ihre Türen. Bahn und Stadt informieren gemeinsam über Stuttgart 21.
1999
Die neue rot-grüne Bundesregierung treibt das Projekt nicht voran. Bahn-Chef Johannes Ludewig spricht sich gegen Stuttgart 21 aus. Er verfügt einen Stopp der Planungen. Der Bahn-Aufsichtsrat vertagt bis in das Jahr 2000 sechs Mal die Entscheidung, wie es mit dem Projekt weitergehen soll.
Der Landtag ersucht die Landesregierung, sich bei der Bundesregierung und bei der Bahn weiterhin mit Nachdruck für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm einzusetzen.
2001
Dem Bund und dem Land Baden-Württemberg gelingt der politische Durchbruch bei der Vorfinanzierung des Projekts. Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG beschließt, das Projekt weiter zu planen.
Die Deutsche Bahn AG und die Landeshauptstadt Stuttgart unterzeichnen den Kaufvertrag für die frei werdenden Gleisflächen.
2004
Erste Gebäude im Europaviertel sind fertig, die Gebäude der Landesbank Baden-Württemberg und der Pariser Platz werden eingeweiht.
2006
Am 6. April 2006 gibt der Verwaltungsgerichtshof Mannheim grünes Licht für den Hauptbahnhof. Die Einspruchsfrist endet am 29. Juni 2006. Danach ist das Verfahren zur Planfeststellung für den PFA 1.1 unanfechtbar abgeschlossen. Die Genehmigung zum Bau des Hauptbahnhofs ist erteilt. Das Urteil sichert das Projekt Stuttgart 21 in seinen Grundsätzen rechtlich ab.Der Landtag des Landes Baden-Württemberg fasst einen positiven Grundsatzbeschluss über die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm und Stuttgart 21.
2007
Am 19. Juli 2007 unterzeichnen die Projektpartner ein Memorandum of Understanding zur Finanzierung von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm. Dieses ebnet den Weg zur Finanzierungsvereinbarung.
2009
Am 2. April wird der Finanzierungsvertrag für das Projekt Stuttgart 21 unterzeichnet. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee unterzeichnet die Vereinbarung für den Bund. Für die Deutsche Bahn AG unterschreibt Infrastrukturvorstand Stefan Garber. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther H. Oettinger unterzeichnet für das Land und dessen Partner, die Stadt Stuttgart sowie den Verband Region Stuttgart. Eine Klausel ermöglicht bis zum 31. Dezember 2009 den Ausstieg.
Der Lenkungskreis des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm stimmt im Dezember 2009 der aktualisierten Kostenrechnung zu. Die Ausstiegsklausel kommt nicht zur Anwendung.
2010
Am 2. Februar 2010 fällt mit der symbolischen Anhebung eines Prellbocks der offizielle Startschuss für den Bau des Projekts Stuttgart 21.
Am 25. August 2010 beginnt am Kopfbahnhof der Abriss des Nordflügels.
Am 30. September 2010 stellen Arbeiter im Mittleren Schlossgarten einen Bauzaun auf. Dabei kommt es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. Mehr als 100 Menschen werden verletzt. Der Tag geht als „Schwarzer Donnerstag“ in die Geschichte der Landeshauptstadt und des Projekts ein.
Im Mittleren Schlossgarten werden die ersten Bäume gefällt. So entsteht Platz für den Bau der Anlage für das Grundwassermanagement. Es gibt heftige Proteste.
Befürworter und Kritiker diskutieren vom 22. Oktober bis 30. November 2010 in der sogenannten Schlichtung über das Projekt. Der ehemalige Bundesminister Dr. Heiner Geißler leitet das Verfahren. Er empfiehlt am Ende der insgesamt neun Treffen, Stuttgart 21 weiterzubauen. Er schlägt aber Verbesserungen vor. Ein Stresstest soll zeigen, an welchen Stellen die geplante Infrastruktur eventuell angepasst werden muss.
2011
Am 27. März findet die Landtagswahl in Baden-Württemberg statt. Grüne und SPD stellen die Landesregierung. Mit Winfried Kretschmann steht erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein Grünen-Politiker der Regierung eines Bundeslandes vor. Weil sich die Koalitionspartner beim Bahnprojekt Stuttgart–Ulm nicht einig sind, vereinbaren sie im Koalitionsvertrag eine Volksabstimmung.
Die Ergebnisse des in der Schlichtung vereinbarten Stresstests werden im Stuttgarter Rathaus der Öffentlichkeit vorgestellt. In einer von Dr. Heiner Geißler moderierten Sitzung diskutieren Befürworter und Gegner. Das Schlussgutachten hat über 200 Seiten. Die Experten geben darin grünes Licht für den Bahnknoten. Sie bestätigen auch, dass der neue Bahnhof die geforderte Leistung erbringt und sogar Verspätungen abbauen kann.
Die neue grün-rote Landesregierung bringt eine Volksabstimmung auf den Weg. Die Bürger stimmen über ein Gesetz zum Ausstieg aus der Finanzierung von Stuttgart 21 ab. 58,9 Prozent der Abstimmenden lehnen dieses ab. Sie bestätigen damit das Projekt.